TALAGANTE - Keramik aus Chile

Buntes Kunsthandwerk in Buchheims Zirkuswagen. Ab 17. April 2008.

Talagante ist ein kleines Provinzhauptstädtchen, etwa eine Autostunde von Chiles Hauptstadt Santiago entfernt. Dort existiert seit mehr als 150 Jahren ein ganz eigenständiges Kunsthandwerk in Form von filigran gearbeiteten und bunt bemalten Keramikfiguren. Doña Maria Toro, die Urahnin dieses Handwerkszweiges, stellte zunächst kleine Figuren in Form von Ochsen, Kühen und Hunden her, die als Sparbüchsen dienten. In der Familie weitergegeben, vervielfachten sich mit den Jahren Farbigkeit und Formenreichtum.

Doña Marias Tochter nahm unter anderem die Figur des Huaso, eines stolz zu Pferde sitzenden chilenischen Cowboys, in das Programm auf. Die folgenden Frauengenerationen bis hin zur heute lebenden Teresa Olmedo Díaz reicherten das Figurenrepertoire mit zahlreichen Motiven aus dem ländlichen Alltag und dem katholischen Festtagskalender an. Höchst spannend ist die Tatsache, dass dabei auch Motive aus der indianischen Vergangenheit zum Einsatz kommen.

Geformt sind die puppenhaften Gestalten allein mit Hilfe von Fingerspitzengefühl und allenfalls kleinen Holzstäbchen. Die bemerkenswert feinen Details werden mit dünnsten Haarpinseln und Emaillefarben aufgebracht. Gebrannt wird die Keramik wie ehedem in mit Holz befeuerten kleinen Öfen.

Ein bunter Zirkuswagen im Buchheim Museum ist die Bühne, auf dem sich verschiedenste Archetypen der Talagante-Tradition ein Stelldichein geben. Da ist das umschlungene Paar, das auf einer Parkbank sitzt und dabei "Aurora" liest, die erste je in Chile verlegte und gedrucke Zeitung, deren Inhalt zu Anfang des 19. Jahrhunderts eine geistige Revolution bedeutete, denn sie griff "unerhörte" Themen wie die Selbstbestimmung des Volkes und sogar die Rechte der indianischstämmigen Bevölkerung auf. Wer dazu weiß, dass der das Paar beschirmende Schattenbaum eine Fülle indianischer Lebens- und Fruchtbarkeitssymbolik enthält, mag eigene Schlüsse ziehen?

Christlicher Tradition entstammen die Cuasimodistas. Sie sind chilenische Cowboys, die sich am "Weissen Sonntag" nach Ostern waffenklirrend und bunt gekleidet, aber dennoch demütig an der Seite einer blumengeschmückten Kutsche zeigen, die den Dorfpriester auf holprigen Wegen zu kranken und entlegen wohnenden Pfarrschäfchen bringt.

Was es mit dem kulturellen Hintergrund dieser pittoresken Eskorte auf sich hat, warum gestandene Cowboys den surreal anmutenden Namen "Cuasimodista" tragen, und wie die in einem solchen Rahmen zu erwartende südamerikanische Fiesta aussieht, das können die Besucher an Ort und Stelle ersehen und auf Wunsch auch genauer erlesen.

Nur soviel sei hier noch verraten: Freilich ist auch der leibhaftige Teufel mit von der Partie; seine Gewinnchancen muß der Besucher selbst beurteilen?

Robert Steinle
im April 2008


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