Die Lust am Risiko

Landshuter Zeitung vom 28.02.2003

"Buchheim hat sich des stillen, nur am Rande zeitweilig der ?Brücke' zugehörigen, einfachen volksliedhaften Künstlers angenommen, als handele es sich um eine Selbstbiographie... Zwar herrscht bei uns an leichtsinnig konzipierten Kunstbüchern, die dennoch in hochgestelztem Kunsthistorikerjargon einherschreiten, kein Mangel: aber einem lesbaren, guten, sogar spannenden Stil ist man immer noch wenig geneigt, Verlässlichkeit, Akribie und umfassende Beherrschung des Gegenstandes zuzubilligen."

Zu diesem enthusiastischem Lob ließ sich der Kunsthistoriker Heinz Ohff hinreißen, als vor exakt 40 Jahren - 1963 - Lothar-Günther Buchheims Monographie "Otto Mueller - Leben und Werk" erschien. Anlässlich dieses Jubiläums zeigt die "Sammlung Buchheim - Museum der Phantasie" am idyllischen (...) Starnberger See nun bis 18. Mai die Sonderausstellung "Otto Mueller - Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphik; Die Sammlung eines Malers".

Zweifel und Zurückhaltung sprechen aus seinen Selbstportraits, so auch aus dem "Selbstbildnis nach rechts II", einer Lithographie aus dem Jahre 1922. Der 1874 in Liebau/Schlesien geborene Otto Mueller nahm Zeit seines Lebens die Rolle des Außenseiters ein. Als allseits beliebter Sonderling, der in seiner eigenen Welt träumte, hat Mueller sich der Gemeinschaft der Künstlervereinigung "Brücke", deren Mitglied er 1910 wurde, zwar eingefügt, blieb mit seinem Werk aber abseits. Seine Bilder sind harmonisch fließend; das Robuste, Herausfordernde. zuweilen Schreiende, alles was den Expressionismus charakterisieren soll, war ihm fremd. Vielleicht ein Grund dafür, dass es ihm heute im Vergleich zu seinen Kollegen Kirchner, Heckel und Schmit-Rottluff (zu Unrecht) an Bekanntheit fehlt.

Die Ausstellung ist auf breite Information hin konzipiert, ein Bogen von Werken aus der "Brücke"-Zeit bis in die 20er Jahre wird gespannt. Der Besucher soll bis in den kleinsten Winkel Einblick in Otto Muellers Wesen und vor allem Arbeitsweise bekommen. Ein wahrer Genuss sind dabei die Informationstafeln, die passende Auszüge aus Buchheims Mueller-Monographie vermitteln und das eingangs erwähnte Urteil Ohffs über dessen anschauliche Sprache bestätigen.
Den Hauptanteil der Schau bestreitet die Lithographie. Als Lithograph hat Mueller Meisterschaft erreicht, ihre Prävalenz entsprach völlig seinem Wesen. Einzelne Exemplare der vollständig ausgestellten Zigeunermappe von 1927 liegen in unterschiedlichen Varianten vor. Sie geben durch wechselnde Farbgebung oder Überarbeitung mit Farbkreiden interessante Hinweise auf Muellers Arbeitsweise. Dass er aber auch im Umgang mit Farben als Meister bezeichnet werden muss, belegt sein Gemälde "Drei Akte vor dem Spiegel" (1912). Eine sparsam gesetzte Farbauswahl steigert um so mehr die Leuchtkraft der Frauenkörper, deren Haltung gerade durch ihre Natürlichkeit maximale Intimität mit dem Betrachter eingeht. Die kreidige Textur bei Bildern wie diesem erzielte Mueller durch die aus ägyptischer Malerei überlieferte und von ihm revolutionierte Leimfarbenmalerei. Anstelle von fetten oder flüchtigen Ölen finden Leimemulsionen als Bindemittel (Ei, tierischer Leim oder Bienenwachs bei den alten Ägyptern) Verwendung. Desweiteren gaben ihm Temperabilder von Dürer und Cranach, die er aus der Dresdner Gemäldegalerie kannte, gewissermaßen ihr Einverständnis für die eigene Arbeitsweise.

Oberstes Gebot einer gelungenen Ausstellung: ersten Wissensdurst umfassend stillen und Appetit auf mehr machen. Beides ist dem Buchheim-Museum aufs Trefflichste gelungen.

Man darf gespannt sein, ob die Ende März anlaufende, ebenfalls Otto Mueller gewidmete Schau in der Hypo-Kunsthalle diesem Appetit gerecht wird. Einziger, jetzt schon feststehender Pluspunkt ist die Lage der Hypo: im Herzen von München, mit U-Bahn Station direkt vor der Haustür ...


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