Ehrung der malenden Mutter
Augsburger Allgemeine vom 16.11.2004
Charlotte Buchheim gehörte zur "verschollenen Generation" der zwischen 1880 und 1900 Geborenen: Zwei Weltkriege, die Rezession der 20-er Jahre, die Diktatur des Nationalsozialismus und die engen Konventionen ihrer Zeit waren Hindernisse für sie, den eigenen künstlerischen Weg zu gehen, ihr fehlten die richtigen Freunde, Gleichgesinnte und verständnisvolle Lebenspartner. Erst jetzt, 40 Jahre nach ihrem Tod, ehrt der malende Kunstsammler Lothar-Günther Buchheim seine Mutter mit einer Ausstellung in der "Villa Maffei" im oberbayerischen Feldafing: Die Malerin Charlotte Buchheim.
Am 20. Mai 1891 als Kind eines Hotelbesitzers im Thüringischen Gera geboren, entspricht Charlotte Buchheim genau dem Bild der so genannten "höheren Tochter". Das Mädchen wird bei Neuchâtel in einem Schweizer Pensionat erzogen, lernt französisch und englisch. Nach dem Schulabschluss zieht die Familie in das noble Kaßbergviertel von Chemnitz. Charlotte beginnt voller Widerstände und Hürden eine künstlerische Ausbildung. Weil sie als Frau an keiner deutschen Akademie zugelassen wird, nimmt sie in Dresden Privatunterricht bei Professor Ferdinand Dorsch. Die Studienjahre sind wohl die glücklichsten ihres Lebens.
Während des Ersten Weltkrieges lebt sie bei ihren Eltern in Chemnitz und reist im Februar 1918 alleine und hochschwanger mit der Eisenbahn nach Weimar. Dort bringt sie ihr erstes Kind, Lothar-Günther, zur Welt. Sie malt "nach der Natur", und ihre Bilder bestechen durch Detailtreue. Sie beschäftigt sich aber nicht mit jungen, schönen Menschen oder Einzelheiten ihrer großbürgerlichen Umgebung, sondern porträtiert Arbeiter und Handwerksburschen. Außenseiter und alte, vom Schicksal gezeichnete Leute. Lothar-Günther Buchheim erinnert sich: "Mutter war eine echte Renegatin. Sie malte nicht nur Stillleben, sondern sah sich nach Modellen für sich und mich, den Knaben, schon mal unter den Arbeitslosen und irgendwelchen heruntergekommenen ?Outcasts' um und brachte sie in unser Haus."
Charlotte malt im Chemnitzer Umland und in Rochlitz, wo sie von 1926 bis 1929 als Frau des Erzgießereibesitzers Paul Heinrichs lebt. 1930 kehrt Charlotte Buchheim mit ihren beiden Söhnen - Klaus wurde 1920 geboren - ins elterliche Haus nach Chemnitz zurück. Gemeinsam mit Lothar-Günther such sie ihre Motive. Einige Blätter malen sie zusammen, andere zeigen ähnliche Blickwinkel. Während sich Lothar-Günther mehr den deutschen Expressionisten verbunden sieht, gibt seine Mutter leichte, mit leuchtenden Aquarellfarben gestaltete Impressionen wieder.
Wechsel der Jahreszeiten
Am Ende des Zweiten Weltkrieges kommt Charlotte Buchheim ins oberbayerische Feldafing. Sie malt jetzt prachtvolle, leuchtende Blumenbilder: Klatschmohn, Rosen, Clematis, Dahlien. Sie schwelgt in Farben, ihre Palette scheint zu explodieren. Die letzten 19 Jahre ihres Lebens verbringt sie in Heimen, geht aber immer wieder hinaus in die Landschaft am Starnberger See, um in ihren Bildern vom Wechsel der Jahreszeiten zu erzählen. Am 19. September 1964 stirbt Charlotte Buchheim in München.
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