Im Zauberbann
Münchner Merkur vom 07.02.2004
Zwei nackte Frauenleiber, gelb und rosa, enden in mächtigen poppigen Federboas. Das skurrile Zwillingswesen ist eine Hommage an den Surrealisten Max Ernst. Eine einjährige Arbeit steckt hinter dieser Maske, ihre ältere Trägerin ist berühmt geworden. Nicht weniger bekannt ist der Fotograf, der die Fantasiegebilde aufspürt, sie im Vorbeiflanieren festhält, sie dirigiert in wortlosem Einverständnis. Lothar-Günther Buchheim zeigt im Bernrieder Museum der Phantasie den "Carneval in Venedig" mit seinen Augen: farbenprächtige Fotos vor klassischer Kulisse. 1989 ging er auf Pirsch, sicher nicht als einer der ersten, aber als einer, der unmittelbare Nähe und kühl-distanzierte Schönheit zugleich wiedergeben kann.
"So prächtige und geduldige Fotomodelle habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen." Vor Buchheims Linse verwandeln sich Goldkostüme zu regelrechten Wächterfiguren über die Stadt, melancholische Gefährten blicken aus dem Dunkel, flüchtiger Prunk und hautnahe, schrille Lebensfreude, Harlekine und Columbinen rangeln sich um die attraktivsten Plätze. 1979 wurde die alte, lange verbotene Karnevalstradition wieder von Künstlern in Venedig eingeführt. Buchheim, der jedes Jahr in die Region fährt, spekuliert einerseits über Exhibitionismus und Selbstwertgefühl, andererseits erliegt er willenlos dem Zauberbann des schönen Scheins.
Allerdings kennt der Maler auch die verborgenen Winkel: Architektur, Gondeln, Wasserspiegelungen und immer wieder einen Blick für Details zeigen seine weiteren Fotografien. Die schlichten Stellwände, die offene Museumsarchitektur und die Facetten der Lagunenstadt ergänzen sich bestens.
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