Freiheit im Leben

Münchner Merkur vom 21.02.2005

Dresden 1905 - Bernried 2005. So könnten die Eckpunkte der Geschichte einer Künstlergemeinschaft heißen, die in diesen hundert Jahren alles erlebt hat, was die Palette von Verachtung bis Vergötterung zu bieten hat. Von der malerischen Revolution um 1905 über erste Lorbeeren um 1920, von der Verfemung im "Dritten Reich" bis zur Verehrung Mitte des 20. Jahrhunderts spannt sich der Bogen der "Brücke". Einer der vehementesten Sammler zu Anfang und bis heute: Lothar-Günther Buchheim.

Dass sein Museum in Bernried am Starnberger See das Gründungsjubiläum nicht mit einem historischen Abriss begeht, sondern hauptsächlich Bilder sprechen lässt, passt ins ungestüme Programm der "Brücke".

"Der Umgang mit Farben bedeutet für sie Erlösung und Befreiung", schreibt Buchheim in seinem Standardwerk von 1956. So ähnlich soll es jetzt auch den Besuchern ergehen: Vor allem spontane, farbenfrohe Aquarelle begeistern im neu bestückten Expressionistensaal. Da gibt es ein Wiedersehen mit Emil Noldes leuchtenden Mohnblumen, flankiert vom feurig roten Kopf einer Frau (1911). Erich Heckel lässt seine Muse Fränzi (Holzschnitt, 1910) als hellen Akt auf roter Fläche Signale für Reduktion und Emotion setzen. Im Jahr zuvor hat er sie mit wenigen, federleichten, braun-gelben Strichen skizziert. 1912 setzt er einen Akt als Zeichen der Weltoffenheit und der Einfachheit als elektrisierende Dreieckskomposition in afrikanisches Ambiente.

Eine Doku-Ecke, Biografien und Buchheims Texte machen nicht nur die Entwicklung der Persönlichkeiten während der acht "Brücke"-Jahre deutlich, sondern gehen darüber hinaus. Schmidt-Rottluffs "Leuchtturm" wellt sich 1909 als sprühende Landschaft ins Himmelblau, ganz ohne Schwarz kommt hier die Lust an der Farbe aus. Während die "Frau im Wald" 1920 von klaren Formen und dichten, stimmungsgeladenen Feldern bestimmt wird.

Eine ähnlich spannende Entwicklung bei Ernst Ludwig Kirchner: Ruhig und friedvoll aneinander gelehnt, stört nichts die beiden nackten Mädchen im Atelier (1909), eine Melange aus lockerem Kreidestrich und luftigstem Grund. Freiheit in wenigen Linien, Freiheit im Leben hieß die Parole der "Brücke", auch wenn Kirchner hart an der Figurenkomposition arbeitete. Die zügellose Buntheit der Fauves wird ein paar Jahre später deutlich kantiger, härter, auch aggressiver. Kirchner hat sich gewandelt: Nach den spontanen, erotischen Liebespaaren (1909) kommen konzentrierte Beobachtung und Raumkalkulation. Nach den einschneidenden Kriegserlebnissen werden daraus "Zwei Badende am Gebirgsbach" (1921), die sich, schwarz konturiert, optisch und emotional aufwühlend noch einen Rest Idylle bewahrt haben.

Bis 31. Juli, Telefon 081 58/ 99 70 20.


Pressespiegel

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