Das Einhorn überm Ehebett

Starnberger Merkur vom 18.05.2005

Ch'i-lin ist ein ganz besonderes Einhorn. Es hat einen Hirschkörper, Fischschuppen, gespaltene Zehen, Rinderschwanz und Fellhorn. Ch'i-lin hat magische Kraft: Kindersegen soll es bringen, und außerdem ist das Wundertier ein Zeichen für Güte. Genau deshalb schaut es jetzt, in verniedlichter Hundeform und in bunt schillernder Zellschmelz-Emailletechnik, als guter Wunsch aus dem Regal. Oder es ziert als hölzernes Sinnbild das üppig geschnitzte Ehebett. Überall ist das Tierchen zu entdecken. In einer Welt aus symbol- und bedeutungsträchtigen Bildern kann man auf vergnügliche Entdeckungsreise gehen.

Lothar-Günther Buchheim hat im Bernrieder Museum wieder einmal eine weitere Tür seiner Wunderkammer geöffnet: China heißt diesmal das Zauberwort, das entführt zu feinsten Farbdrucken, Papierschnitten, Tuschemalereien, Kunsthandwerk und Nippes. Als Markenkennzeichen des Ostens kristallisiert sich einerseits eine schrille Farbenpracht heraus, andererseits ein pointiertes, zartes Naturbild. Insgesamt bekommt man so einen Einblick in eine Kultur, deren Komplexität und philosophische Durchdrungenheit hier auf spielerische und opulente Art in mehreren Etappen und auf mehreren Stockwerken erschlossen wird.

Fernöstliche Vergeistigung

Wenige grobe Pinselstriche, satte Farbe, die Meisterschaft der Konzentration: Chi Pai-shih (1861-1957) verkörpert die ganze Raffinesse der Farbholzschnitte und des Taoismus. Hier werden nicht einfach Blumen erfasst, sondern der Maler geht auf in seinem Tun und in der geistigen Verbindung mit seinem Motiv. Dass die Drucke so fließend und betörend sind wie Aquarelle, ist der besonderen Technik zu verdanken, bei der Wasserfarben mit dem Pinsel aufgetragen werden.

Chi Pai-shih gilt als Chinas erster hauptberuflicher freier Künstler, zuvor waren die Bilder und auch die Herstellung den Reichen und Edlen vorbehalten, die sie sich gegenseitig schenkten. Erst 1894 wurde in Peking die Werkstatt Jung Bao-dsai gegründet, die den Druck perfektionierte.

Buchheim, dessen China-Passion mit 17 Jahren, später auf der Leipziger Buchmesse und schlussendlich bei seiner ersten Expressionisten-Ausstellung in Asien1963 entbrannte, hat jetzt beste Vergleichsmöglichkeiten geschaffen zwischen deutscher, handfester Ausdruckskraft und fernöstlicher Vergeistigung. Der erste Zyklus seiner Sammlung allerdings zeigt einen Beamtenzug Anfang des 20. Jahrhunderts, der recht tatkräftig auch Verbrecher "einsammelte". Das Ganze eine Wasserfarbenmalerei, die in Perfektion auch Blütenreigen auf Seide hinhauchte.

Die Variation der immer gleichen Themen, das Kopieren alter Bilder ist dabei Tradition. Die Ausführung freilich ist künstlerische Freiheit, die sich auch in den Rollbildern zeigt, die für Freunde aus der Schatulle geholt wurden. Genauso huldigen die Steinabriebe mit Kutschen und Reitern alten Motiven und Reliefs.

Das China von heute hat sich nur bedingt geändert: In 2000 Scherenschnitten hat Buchheim von seinen wiederholten Reisen ein Stückchen vom Alltag mitgebracht. Da sind die schützenden Türgötter und Glückssymbole, die zum Neujahrsfest allerorts aufgehängt werden. Es gibt aber auch die Huldigungen an die arbeitende Frau und den jungen Pionier der Mao-Zeit. Unter Mao Tse-tung wurde die Volkskunst als Handwerkszweig in Werkstätten gefördert. So wird auch Großstadtarchitektur neben idyllischen Landschaften gezeigt, die rote Sonne als Symbol für Maos Lehre wird von Kranichen flankiert als Wunsch für die Langlebigkeit der Regierung.

Kunstvolle Augenblicke

Ein Stück des normalen Lebens präsentiert Buchheim schließlich noch in seiner Fotoausstellung: Kunstvolle Augenblicke in der Pekinger Akademie und Kostümfeste hält er fest, aber auch die Armutsviertel bei Hongkong, die fliegenden Händler, die neugierigen Blicke. Hier wie da kann man sich in wenigen Räumen durch Chinas kunstvolle Straßen treiben lassen.


Pressespiegel

Besuchen Sie uns auf Instagram