Fernand Léger und Joan Miró im Buchheim Museum
Neues aus Buchheims Schatztruhe
Welt am Sonntag vom 16.11.2008
Die Wunderkammern des Sammlers Lothar-Günther Buchheim (1918-2007) müssen unermesslich sein. Auch über seinen Tod hinaus überrascht das Museum der Phantasie in Bernried immer wieder mit neuen Schätzen. Jetzt hat man eine exquisite Kollektion von Werken aus der Zeit des Aufbruchs der Avantgarde in Paris zusammengestellt, zu der Buchheim selbst intensiven Kontakt pflegte. "Fernand Léger. Joan Miró. Aquarelle. Lithographien. Radierungen" heißt die farbenprächtige Schau, mit etwa 60 Papierarbeiten und ebenso vielen Lithos, die zum Teil als Mappenwerke und Buchabbildungen in Vitrinen ausgestellt sind.
In den 50er-Jahren hielt sich Buchheim immer wieder in der Kunstmetropole auf, um dort zusammen mit den von ihm bevorzugten Malern seine kleinen, bescheidenen Kunstbände zusammenzustellen - damals noch ein absoluter Anfänger auf diesem Gebiet. Doch mit der ihm eigenen Beharrlichkeit, der Intensität seiner Betrachtung und dem immensen Sachwissen bekam er Zutritt zu allen wichtigen Ateliers von Braque bis Picasso.
Buchheim überzeugte die kritischen Künstler nicht nur, er wurde zu ihrem Freund und Weggefährten, sodass ihm Léger spontan ein ganzes Konvolut von Entwurfsskizzen zu seinem berühmten Zyklus "Cirque" schenkte - heute wertvolle Inkunabeln des Künstlers.
Insgeheim nannte Buchheim den Franzosen Léger (1881-1955) wegen seiner äußerlichen Kantigkeit und der Vorliebe für groß karierte Sakkos immer nur den "Amerikaner". Léger hatte nach einer Lehre bei einem Architekten zunächst als Zeichner und Retuscheur gearbeitet, bis er an der Pariser École des Arts studierte und durch den Galeristen Kahnweiler mit der Kubistenszene in Berührung kam. Sein Oeuvre umfasst nicht nur die grafischen Werke, die in der Sammlung Buchheim Platz fanden, sondern auch Gemälde, Wandbilder für öffentliche Gebäude, Mosaikarbeiten für Kirchen, keramische Kreationen sowie die Mitarbeit an Film-, Ballett- und Opernproduktionen.
In dieser Vielseitigkeit stand ihm der zarte Joan Miró (1893-1983) in nichts nach. Wiewohl er, geboren in Barcelona, bereits seit Jahrzehnten in Paris lebte, blieb er für Buchheim stets "der kleine Spanier". Auch er hatte sich nach den ersten Zusammentreffen mit Picasso mit dem Kubismus auseinandergesetzt, bis er zu seinem unverwechselbaren Stil fand. Neben seinen Papierarbeiten mit ihren hieroglyphischen Chiffren schuf er zusammen mit Max Ernst Dekorationen für Diaghilews russisches Ballett; auch Wandbilder, Keramikreliefs, wie das für das Pariser Unesco-Gebäude, und kam gegen Ende seines Lebens zu den weltbekannten Skulpturen aus Objets trouvés, also zufälligen Fundstücken.
Was beide Künstler vereint, ist die Sorgfalt, mit der sie - so unterschiedlich sie stilistisch, formal und motivisch waren - ihre Arbeiten fertigten und bei jedem Abzug im Halbdunkel der Radierwerkstätten selbst Hand anlegten. Beide entwickelten ihr Werk entscheidend unter dem Einfluss der Surrealisten weiter; Miró gehörte gar zu den Unterzeichnern des "Surrealistischen Manifests" von Breton, Léger war überzeugter Kommunist und Kämpfer gegen soziales Unrecht.
Für sein meisterhaftes Zirkusbuch entwarf Léger mit eigener Schrift das Cover, begleitet werden die Bilder von selbst verfassten poetischen Texten. Sie zeigen Akrobaten und Clowns, Tänzerinnen und Zauberer, eine geheimnisvolle Kartenlegerin und einen auf zwei Beinen stolzierenden Hund. Zwar sind die farblich akzentuierten Körper meist verschlungen wie auf den frühen Blättern, doch faszinieren sie mit einer spielerischen Leichtigkeit. Ganz anders als Légers Kompositionen mit Maschinenteilen, mit ihrem Gewirr von Propellern, Ventilen und Röhren und seinen Darstellungen der dynamischen Welt des hektischen Pariser Straßenverkehrs.
Auch die in der Schau versammelten Werke Mirós entwickelten sich unter dem Einfluss der Surrealisten, wiewohl der Katalane mit ganz detaillierten, realistischen Darstellungen begonnen hatte. Im Gegensatz zum intellektuellen Léger, der über seine Methoden und Ziele reflektierte, nutzte Experimentator Miró gerade die druckgrafischen Techniken zu immer neuen Form- und Farbkombinationen. So wurde bei ihm etwa ein roter Farbfleck erst zu einem Gesicht, verwandelte sich dann in ein Gestirn, um zuletzt die Stelle eines glühenden Herzens einzunehmen.
Was hier versammelt ist, sind frei erfundene, sprühend bunte Fantasiegebilde aus einem Kosmos chiffrierter Zeichen. Manches Blatt wirkt mit seinen schwebenden abstrakten Farbformen geradezu lyrisch verspielt. Farblithografien wie das Blatt "Zum hundertjährigen Bestehen der Druckerei Mourlot" stehen stellvertretend für seine kindlich versponnene Bildwelt: Sie zeigen zwischen kräftigen Farbklecksen krakelige Sterne, skurrile Flugobjekte, vereinfachte Strichmännchen oder magische Augen - und wirken, als hätte sie ein Kind auf eine Wand gekritzelt.
"Fernand Léger. Joan Miró", Buchheim-Museum, Bernried, 20. November bis 14. April
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