Villa Maffei
Damals war das bestes Kino
Münchner Merkur (Starnberg) vom 30.06.2009
Feldafing - Konstantinopel lockt mit unzähligen Türmchen und Kamelen. Im Zypressengarten des Sultans stehen die Bäume in Reih und Glied und führen in eine unendliche Gartenpracht. Bild um Bild kann man sich die exotische Welt erobern: Ein bisschen Realismus, viele Ideale, bunte Farben und akribische Stiche sind die Kombination, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Menschen faszinierten. Und nicht nur die: Auch Lothar-Günther Buchheim war begeistert von der Mischung aus Kunst, Handwerk, Können und Naivität und hat binnen 40 Jahren 700 Guckkastenbilder gesammelt. Eine Auswahl von 120 Stück ermöglicht jetzt in der Feldafinger Villa Maffei ausgedehnte Reisen.
Die Werkstätten in Augsburg, Paris, London und Bassano schürten damals die Sehnsucht nach der Exotik, den Rest fügten die Guckkästner hinzu, die auf Jahrmärkten ihre Geschichten zu den Bilderreigen zum besten gaben. Mittels Linse und Spiegel machten die Kästen aus den Kupferstichen und Radierungen frühe 3-D-Impressionen. Die vielfach gedruckten, ganz auf Perspektive ausgerichteten Ansichten wurden zu einem frühen Massenmedium, zu einem „cinema anno dazumal“, wie der Ausstellungstitel es nennt.
In der Schau ist zumindest einmal live die Tiefenwirkung an einem Guckkasten nachzuvollziehen, zu dem meist Identifikationsfiguren am Bildrand tanzend, beim Picknick, beim Flanieren und Beobachten einladen. Dahinter entfalten sich die sieben Weltwunder der Antike, biblische und mythologische Geschichten, Allegorien oder historische Ereignisse. Da wären Seeschlachten, wo rote Feuerlinien die Hausboote zum Kippen und brennen bringen: „Schwimmende Batterien“ wurden die Kanonenboote der Spanier genannt, die bei dem Versuch versenkt wurden, Gibraltar den Engländern abzutrotzen. Da wären auch Tanzfeste zur Erinnerung an die Erstürmung der Bastille. Und da wären immer Straßen- und Stadtszenen, die Mode und Gewohnheiten damaliger Zeiten wieder zum Leben erwecken. Deutsche Burgen und französische Gärten geben ein Bild von der Architektur, feinst ausgearbeitet und von den Frauen und Kindern in Heimarbeit koloriert. Buchheim ordnete nach Ländern, sammelte Amsterdams Grachten ebenso wie Bella Italia. In den akribischen Blättern kann man nun der Historie, der künstlerischen Freiheit, der Verfremdung und dem ewigen Fernweh nachspüren.
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