Ein Volltreffer

Münchner Merkur vom 09.07.2012

Das Buchheim Museum ermöglicht mit „Karl Schmidt-Rottluff – Die Holzstöcke“ einen impulsiven Zugang zur Kunst

Von Freia Oliv

Mit voller Wucht treffen diese Holzstöcke ins Schwarze: Hier wird der Expressionismus greifbar, spürbar, offensichtlich. 30 Holzplatten zeigen, wie Karl Schmidt-Rottluff (1894-1976) gearbeitet hat: mal brachial, mal feinfühlig, immer bravourös und extrem emotional. Man sieht ihn förmlich mit dem und gegen das Holz schnitzen und schneiden, sieht ihn um Formen ringen, erhabene Stege, glatte Strukturen, feine Maserungen und wilde Risse hervorheben. Die Drucke dann: überraschend klar gegliedert. Die Stöcke verschaffen jetzt in Kombination mit den dazugehörigen Abzügen einen unmittelbaren Zugang zu Technik und Werk. Das Buchheim Museum in Bernried hat mit dieser ersten Öffnung für nicht sammlungseigene Objekte nach elfjährigem Bestehen einen Volltreffer gelandet:

Die Holzstöcke aus dem Berliner Brücke-Museum ermöglichen einen absolut impulsiven Zugang zur Kunst.

1975, ein Jahr vor seinem Tod, schenkte Karl Schmidt-Rottluff dem Brücke-Museum Berlin 200 Holzstöcke: Bisher waren sie nur ein Mal dort ausgestellt, nie wurden sie ausgeliehen. Alle würden einen Transport auch nicht so gut überstehen - der Künstler hatte sie einfach auf dem Balkon gelagert. Anfangs hat er Handabriebe gemacht, später Handdrucke, von 1913 an arbeitete ein Drucker für ihn an der Presse: maximal zehn Abzüge gab es pro Motiv. Und natürlich hat auch Lothar-Günther Buchheim die raren Exemplare gesammelt - so konnte man jetzt die Berliner Sammlung in Bernried optimal ergänzen.

Mit 30 Blättern und hölzernen Unikaten (aus der Zeit zwischen 1905 bis 1920) können die Besucher der Ausstellung einen Blick auf die Werkstatt und Schmidt-Rottluffs künstlerische Entwicklung werfen.

Am Anfang steht - vermutlich noch vor 1905 - ein kalligraphisch anmutendes Baumbild, das den Hang zur Exotik, in dem Fall Ostasien, belegt: in einer wild bearbeiteten Platte und einem zierlichsten Druck. Daneben sieht man auf einer weiteren Platte, wie der Künstler Vorzeichnungen anfertigte. Nach einer zweijährigen Pause ändert sich sein Stil. Er schabt und schneidet gegen die Faser, überwindet bald die Kleinteiligkeit der ersten Versuche, die Faserigkeit der nahezu impressionistischen Bäume (1909) und öffnet sich für die große Fläche und die Reduktion. Kraftvolle Linien beschreiben weibliche Akte, aus großzügigen Freiräumen entstehen afrikanisch inspirierte Gesichter. Für weitläu-fige Landschaften wie „Die Bucht" fertigte er 1913 das schwarze Grundmuster, um es elf Jahre später durch eine zweigeteilte Farbplatte zu ergänzen. Mit solchen Beispielen kann man die Technik verstehen. Und zugleich den skulpturalen Wert der Reliefs erfassen: Der Kopf der verhärmten Mutter (1916) ist freigestellt - quasi ein Monument gegen den Krieg und für die Kunst.

Bis 7. Oktober, Katalog: 45 Euro; Telefon 08158/ 997 00


Pressespiegel

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