Ausstellung im Buchheim Museum

Wilde Kämpfer, Dämonen und Geishas

Münchner Merkur vom 20.10.2012

In Bernried sind in einer opulenten Schau Farbholzschnitte aus der Sammlung Lothar-Günther Buchheims zu sehen.

Von Freia Oliv

Das pure Vergnügen sollte das Leben sein – aus Kunst, Schauspiel, Erotik und wilden Geschichten. Nach einem Jahrhundert katastrophaler Kriege sicherte eine neue Regierung den Frieden in Japan – mit all seinen Annehmlichkeiten. Und da die Zensur des neuen Regimes die wildesten Ideen der Edo-Zeit (1603 bis 1865) nur bedingt reglementierte, führte das zu einer Blüte prächtiger Holzschnitte. Das pure Vergnügen ist es jetzt, diese im Buchheim Museum Bernried in einer opulenten Schau zu sehen.

Dass diese satten Bildgeschichten Lothar-Günther Buchheim gefallen haben, liegt auf der Hand. Schließlich haben sie bereits die Expressionisten beeinflusst. Weniger bekannt war bisher, dass Buchheim selbst ein riesiges Konvolut japanischer Holzschnitte gesammelt und schon um 1972 darüber geschrieben hat. Zusammen mit Ankäufen aus der Tutzinger Sammlung Gretel Dobbersteins noch zu seinen Lebzeiten kann das Museum nun einen ganz individuellen und doch umfassenden Zugang zum wohl bekanntesten Sujet japanischer Kunst liefern, für den Kuratorin Clelia Segieth die Ostasien-Expertin Irene Wegner hinzugezogen hat.

Die Landschaften Ando Hiroshiges (1797 bis 1858) zeichnen aus, was man mit Holzschnitten verbindet: faszinierende Farbübergänge, leuchtende Flächen, präzisierte Zeichnung. Doch die erstarkende bürgerliche Kultur in Japan wollte mehr. Ausgehend vom buddhistischen Ukiyo-e, dem Begriff für eine fließende Welt im Sinne der Vergänglichkeit, wendeten sich die Japaner genussvoll weltlichen Freuden zu. Dazu muss man wissen: In einem Land mit Ausreiseverbot, starrer beruflicher Festlegung und arrangierten Ehen waren Flucht- oder Entfaltungsmöglichkeiten nicht gerade üppig. Eine war etwa die Welt der Freudenhäuser. Die aufgetürmten Frisuren, reich drapierten Gewänder und kunstvoll bemalten Gesichter der Geishas waren auch für Bürgerfrauen Schönheitsideal.

Die Künstler Utagawa Kunisada (1786 bis 1865) sowie Utagawa Kuniyoshi (1798 bis 1861) fingen das in ihren Arbeiten ein; Buchheim sammelte sie gern. Während sie durch sanfte Farben und präzise Striche begeistern, dürften die hocherotischen Hefte bis heute so umstritten wie anziehend sein. Deshalb werden sie in Bernried auch nur dezent am Rande gezeigt.

Die Versuche der Moralisierung trieben noch andere, für westliches Verständnis seltsame Blüten. Da weibliche, später auch junge männliche Schauspieler häufig in die Prostitution abzugleiten drohten, wurden im 17. Jahrhundert alle Rollen ausschließlich mit älteren Männern besetzt, was deren Beliebtheit zuträglich war. Und auch Kunisada wurde mit den Porträts der damaligen Stars berühmt.

Bezeichnenderweise sammelte Buchheim auch die skurrilen, stark erzählerischen und bei uns erst seit kurzem beliebten Reise-Blätter der Edo-Zeit, die zwei der damals fünf großen Reichsstraßen zum Thema hatten: Der Tokaido verband die Hauptstadt Edo (heute Tokio) mit der Kaiserresidenz Kyoto. Zur Illustration der 53 Raststationen setzte Kunisada Schönheiten, Schauspieler oder Romanfiguren ins Zentrum. Für den Überland-Weg Kisokaido verknüpfte Kuniyoshi die 69 Etappen mit humorvollen, aber auch kritischen Episoden, Legenden, Liebes- und Geistergeschichten. Diese Blätter waren letztlich Ergebnis des Zusammenspiels eines ganzen Stabs von Helfern und Zensoren. Umso erstaunlicher, was gezeigt wird: ein im Liebeswahn abstürzender Erleuchteter, ein ausbeuterischer Fürst, der von Rachegeistern heimgesucht wird. Und ein Samurai, der vor dem blanken Hintern eines respektlosen Arbeiters kapituliert.

Am Ende thematisieren die Macher der Schau natürlich die fulminanten Einflüsse der japanischen Blätter auf die europäische Kunst um 1900.


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