Das „Blaue Jahr“ im Buchheim Museum

Die „Blaue Brücke“

Alexej Jawlensky - Lyonel Feininger - „Die Brücke“

Ausstellung vom 10.4. bis 29.1.2012

Die Ausstellung „Die Blaue Brücke“, deren Titel sich an Lyonel Feiningers Aquarell „Blaue Brücke“ anlehnt, schlägt gleich mehrere „Brücken“. Einmal zwischen dem „Blauen Reiter“ (1911-1914), der in diesem Jahr sein 100jähriges Jubiläum feiert, und den Werken der Maler der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“ (1905-1911), die den Beginn des Expressionismus in Deutschland markiert.

Ein Bogen lässt sich aber auch zwischen Lyonel Feininger (1871-1956) und Alexej Jawlensky (1864-1941) schlagen. Denn letzterer spielte im Vorfeld und bei der Gründung der „Neuen Künstlervereinigung München“ (1909-1912), aus welcher der „Blaue Reiter“ hervorging, eine prägende Rolle. Vor allem aber vergegenwärtigen die Werke von Jawlensky und Feininger eine künstlerische Haltung, die für den Kreis der Künstler des „Blauen Reiter“ um Wassily Kandinsky und Franz Marc charakteristisch war, und die den Werdegang der Moderne maßgeblich bestimmte. Beide, Jawlensky wie Feininger, entwickelten vor dem Hintergrund der Avantgarde ihrer Zeit eine individuelle Bildsprache und eine Vorliebe für eigenwillige Themen. Doch verstanden der Russe - Jawlensky wurde in Torzhok geboren - und der Amerikaner - Feininger stammte aus New York - ihre Kunst als Verkörperungen und Materialisationen einer nicht sichtbaren, geistigen Welt.

Die beiden Kabinettausstellungen mit auserlesenen Gemälden, Aquarellen und Druckgraphik von Jawlensky und Feininger werden durch eine Dokumentation zum „Blauen Reiter“ und dem Almanach ergänzt, die wiederum die ausgestellten Werke der Brücke-Maler in den historischen Kontext stellt.

Jawlenskys Gemälde „Kopf in Blau“ gehört zu jenen starken Frauenköpfen, die der Maler, der mit seiner Förderin, der Malerin Marianne von Werefkin von 1896 bis 1914 in München lebte, im Jahr 1912 geschaffen hat, als sein Oeuvre, nach Jahren des Suchens und Experimentierens, einen ersten Höhepunkt erfuhr. Die kräftigen, kontrastreichen Farbakkorde - Orange, Rot, Purpur und Gelb sind tiefen Blauwerten gegenübergestellt - verbinden das Bild vorwiegend mit Arbeiten des Brücke- Malers Ernst Ludwig Kirchner aus der Zeit von 1909 bis 1911, da beide Künstler in diesen ihren Schaffensphasen von der Kunst Henri Matisse' inspiriert wurden. Die abstrakten Köpfe von Jawlensky (1922) wiederum, die, auch wegen ihres seriellen Charakters, in der Tradition altrussischer Ikonenmalerei stehen und vordergründig Jawlenskys „Sehnsucht zu Gott“ spiegeln, bilden einen spannungsreichen Gegensatz zu den blockhaften oder von afrikanischen Masken angeregten Köpfen von Karl Schmidt-Rottluff. Während Jawlenskys „Variation“, seine Meditation über ein landschaftliches Thema, einen Abstraktionsgrad zeigt, der den Arbeiten der Brücke-Maler fremd ist. Denn ihre Darstellungen blieben nicht nur dem Gegenstand verhaftet. Das visuelle Erlebnis und das sinnliche Erfahren und Erspüren der diesseitigen Welt war die Basis ihrer Kunst, ebenso wie der an den Moritzburger Teichen gelebte Traum von der Einheit von Mensch und Natur, der wiederum ihre Bildwelten bestimmte.

Lyonel Feiningers Holzschnittproduktion, die erst 1918 einsetzt, bildet einen reizvollen Kontrast zu den Holzschnitten der Brücke-Maler. Die Druckgraphiken von Schmidt-Rottluff, Kirchner und Erich Heckel kommen mit brachialer Wucht und materieller Schwere daher, da sie alle das Holz und seine Maserung als ästhetische Komponente in ihre Kompositionen einbeziehen, während Feininger durch seine prismatische Aufsplitterung des Bildgegenstandes und des Bildraumes die Materie überwindet und sich in freie, geistige Dimensionen erhebt. Auch seine Aquarelle führen den Betrachter in entrückte Welten, wenngleich Feiningers Motive auf den von ihm so benannten „Natur-Notizen“ basieren, die er an der Ostsee, aber auch in Weimar und dessen Umgebung, in den Dörfern Thüringens fertigte und in der Regel versatzstückartig in seine Bilder einbaute. Um das Surreale und Traumhafte seiner Darstellungen zu unterstreichen, bediente sich Feininger manchmal einer Bildsprache, die an Kinderzeichnungen erinnert. So auch in dem Aquarell „Blaue  Brücke“ (1920), auf dem eine vorsintflutliche Lok mit doppelsinnig schrägen Wagons ordentlich Dampf ablassend über die Brücke zuckelt. Zusammen mit weiteren Arbeiten, die Schiffe verschiedenster Art bevölkern, wird hier Feiningers nostalgische Liebe zur Technik der Pionierzeit deutlich.

Neben diesen beiden Kabinettausstellungen bietet die Ausstellung eine Dokumentation zu Entstehung, Geschichte und Programmatik des „Blauen Reiter“. Da es uns wichtig war, den Besuchern einen Einblick in den Almanach der „Blaue Reiter“ zu vermitteln, der zu den wichtigsten künstlerischen Programmschriften des 20. Jahrhunderts gehört, können einige Texte von Franz Marc, Wassily Kandinsky und August Macke aus dem Almanach in ganzer Länge gelesen werden. Dazu kann man erfahren, wie ganz anders Franz Marc und Wassily Kandinsky die Kunst der Brücke eingeschätzt haben. Aber natürlich auch, wie unterschiedlich die Auffassungen der Künstler der Brücke und des Kreises der „Blauen Reiter“ waren.

Besonders hat uns hier beider sehr unterschiedliches Verhältnis zur außer-europäischen Kunst, aber auch das Thema Holzschnitt interessiert. Zudem sind in der Ausstellung Auszüge aus Lothar-Günther Buchheims Buch „Der Blaue Reiter und die Neue Künstlervereinigung München“ (1959) ausgebreitet, das noch heute durch seine faktenreiche Darstellung und anschauliche Sprache überzeugt.

Dr. Clelia Segieth
Kuratorin des Buchheim Museums


Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre mit zahlreichen Abbildungen in Farbe sowie Texten von Lothar-Günther Buchheim und Clelia Segieth zum Preis von EUR 8.90 (Bestellung).

Zudem sind zwei Plakate zur Ausstellung erhältlich.

Führungen für Gruppen und Schulklassen Buchung unter Tel. 08158-997050.

Hinweis: Parallel zu der Sonderschau „Die Blaue Brücke“ läuft die Ausstellung Faszination Circus - Manege frei für Kunst und Phantasie, die wir bis 26. Juni 2011 verlängert haben.

Und: Am Wochenende vom 4. und 5. Juni feiert das Buchheim Museum mit einem
Sonderprogramm sein zehnjähriges Jubiläum!


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