Jäger und Sammler

FAZ vom 24.02.2007

Seine Leidenschaft war die Kunst, schon ganz früh. Er wollte Maler werden und wurde es auch. Überhaupt hat er immer durchgesetzt, was er wollte, und wenn er dafür mit dem Kopf durch sämtliche Wände musste. Stabil genug war er, der Schädel dieses Mannsbilds. Grob und polternd konnte er sein, mürrisch und hochfahrend, aber auch ganz leise und zart. Keinem Streit ist er jemals aus dem Weg gegangen, oft hat er ihn in beleidigender Manier gleich selbst vom Zaun gebrochen - "Gullyratten" soll er seine Feldafinger Mitbewohner tituliert haben.

Am besten verstand er sich auf die Kunst, riesige Gewitterwolken zu erzeugen und dann den einschlagenden Blitzen auszuweichen. In seiner Villa war er umgeben von all den Eindrücken aus der weiten Welt, die ihn geprägt haben. Eine Tropfsteinkunsthöhle war das, bewachsen mit Masken und Spielzeugpferden, Uhren und Nippes, dazwischen Aquarelle, Zeichnungen und Ölbilder der berühmtesten deutschen Expressionisten - und eine riesige Bibliothek, die sich türmte in krummen Stapeln.

Die Zeit des Nationalsozialismus: Buchheim kannte sie schon, als sie ganz klein war. 1918 in Weimar geboren, wurde der Sohn einer Malerin bald zum Wunderkind abgestempelt; seine ersten Linolschnitte wurden ausgestellt, als der Knabe gerade einmal vierzehn war. Sein erstes Buch erschien 1939, "Tage und Nächte steigen aus dem Strom". Aus der Donaufahrt wurde dann wenig später die Atlantikfahrt, die Buchheim als Leutnant der deutschen Marine absolvierte. Seine Kamera und sein Notizbuch waren immer dabei. Nie mehr sollte ihm das Meer danach aus dem Kopf gehen.

Aber zunächst, nach überstandenem Weltkrieg, kombinierte er seine Leidenschaften zu einem Beruf, indem er über Kunst schrieb, Kunstkalender verlegte und seine Sammelwut befriedigte. 1973 legte der Kunstschriftsteller dann einen monumentalen Kriegsroman vor, "Das Boot", der rasch zu einem Welterfolgt wurde. Die Geschichte um die Besatzung des deutschen U-Boots U 96, das in der Straße von Gibraltar auf Grund läuft, gehört seither zu den großen Stoffen, die deutsche Literatur der Nachkriegszeit hervorgebracht hat. Die Verfilmung durch Wolfgang Petersen (1981) zementierte Buchheims Platz als Lieferant des wirkungsmächtigsten Kriegsromans, auch wenn der Autor mit der Umsetzung nicht zufrieden war.

Als Buchheim gut zwei Jahrzehnte später zum fünfzigsten Jahrestag des Kriegsendes "Die Festung" nachschob, war die erzählerische Kraft schon deutlich in der epischen Breite des 1400-Seiten-Opus verpufft. Aber die Frage war doch nicht beantwortet, die er aufwarf mit dem Buch: War das Kriegsende ein Tag der Befreiung oder einer der Niederlage? In Verwandtschaft zu Walter Kempowski, dem lange Zeit unerwünschten Chronisten jener Jahre, betonte Buchheim stets das Bemühen, kollektive Schuldzuweisungen zu vermeiden. Die "armen Schweine", die das Hitler-Regime verheizt hatte als "Menschenopfer", um die war es ihm zu tun. Dass aus einem Marineoffizier post festum kein Widerstandskämpfer zu stilisieren gewesen ist, muss er gewusst haben.

Vieles von dem, was Buchheim medial inszenierte, überdeckte seine eigentliche Leistung - den veritablen Kunstschatz seiner Expressionisten-Sammlung, die er gekauft hatte, als sich niemand dafür interessierte, geschlossen durch die Jahrzehnte zu steuern. Buchheim verschliss diverse Museumsleiter, Architekten und Politiker in seinem Bemühen, eine adäquate Heimat für seine Sammlung zu finden. Denn die Expressionisten waren nur im Kombipack mit seiner Hauptabteilung Phantasie zu haben - "Flachware" allein, wie er Gemälde gerne nannte, war ihm nie genug. Was den Puristen ein Graus war, blieb für Buchheim eine unverhandelbare Selbstverständlichkeit. Viele Umwege und mehrere Ersatzkandidaten später kam es 2001 zu einer bayerischen Lösung: "Das Museum der Phantasie" wurde in spektakulärer Lage in Bernried - die Heimatgemeinde Feldafing hatte wegen Lärmbelästigung per Volksentscheid dankend abgelehnt - direkt am Starnberger See eröffnet. Der Freistaat war zufrieden, obwohl er tief in die Tasche greifen musste.

Damals trug der Kunstpirat Buchheim schon die Augenklappe, weil man ihn an der Münchner Augenklinik verpfuscht hatte. Aber gesiegt hatte er dennoch, auch mir nur einem intakten Auge. Am Donnerstag ist Lothar-Günther Buchheim zwei Wochen nach seinem neunundachtzigsten Geburtstag gestorben. Man darf von einem erfüllten Leben sprechen, auch wenn er damit gewiss noch lange nicht am Ende war.


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