Zum Tode von Lothar-Günther Buchheim

Trauerrede des Ministerpräsidenten, Pressemeldung der Staatskanzlei

Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber hat bei den Trauerfeierlichkeiten für Lothar-Günther Buchheim den Verstorbenen als "großen Künstler und Kunstsammler unserer Zeit" gewürdigt. In seiner Ansprache in der Hofmarkkirche in Bernried sagte Stoiber:

"Der plötzliche Tod von Lothar-Günther Buchheim erfüllt uns alle mit großer Betroffenheit und tiefer Trauer. Vor wenigen Tagen noch feierte er mit Freunden seinen 89. Geburtstag. Heute müssen wir Abschied nehmen von einem der ganz großen Künstler und Kunstsammler unserer Zeit. In diesen schweren Stunden gilt unser besonderes Mitgefühl vor allem Ihnen, sehr geehrte Frau Buchheim, wie auch der Tochter und dem Sohn. Der unerwartet Tod hinterlässt eine tiefe und schmerzliche Lücke.

Wir alle verlieren einen Menschen, der uns mit seiner Vitalität, Energie und Kraft gefordert und gefesselt hat wie kaum ein anderer. Für Lothar-Günther Buchheim galt, was Paul Cezanne einmal gesagt hat: "Das, was den großen Maler ausmacht, ist der Charakter, den er allem verleiht, was er berührt, der Geistesfunke, die Bewegung, die Leidenschaft." So haben wir Lothar-Günther Buchheim kennen gelernt: als unkonventionellen, leidenschaftlichen und dabei auch streitbaren Verfechter der Kunst und ihrer Werke. Er hat sich uns allen eingeprägt als ein Mensch mit ungeheuerer Kreativität und einer bemerkenswerten Begabung, traditionelle Denkschablonen und Klischees zu durchbrechen. Ohne seine Leidenschaft, Energie und Produktivität wäre die Kunstwelt in Bayern, Deutschland und darüber hinaus deutlich ärmer.

Was wir dem Verstorbenen verdanken, ist von unschätzbarem Wert. Da sind zum einen die Kunstwerke des Malers, Fotografen, Schriftstellers Buchheim. Schon in jungen Jahren als malender Wunderknabe gefeiert, werden seine Werke auch heute noch national wie international hoch geschätzt. Da sind zum anderen einzigartige Kunstsammlungen, die er über viele Jahrzehnte hinweg mit höchster Kompetenz erworben und zusammengetragen hat. Sie, liebe Frau Buchheim, standen Ihrem Gatten dabei immer als kongeniale Ratgeberin und Unterstützerin zur Seite. Die Expressionisten-Sammlung beispielsweise, die Lothar-Günther Buchheim gemeinsam mit Ihnen mit sicherem Gespür zusammengetragen hat, ist eine der größten und bedeutendsten weltweit. Diese Sammlung ist von unschätzbarem Wert - Zahlen zu nennen, wäre vermessen.

Der Staat könnte eine solch kostbare Sammlung aus eigener Kraft weder aufbauen noch ankaufen. Umso mehr sind wir privaten Sammlern und Mäzenen wie Ihnen, sehr geehrte Frau Buchheim, und Ihrem Mann zu großem Dank verpflichtet. Bayern hat für Ihre Sammlung einen würdigen Rahmen geschaffen und das Museum der Fantasie erbaut. In diesem Museum haben diese Kunstwerke eine Heimat erhalten, die ihrer Einzigartigkeit und Bedeutung angemessen ist.

Sie, sehr geehrte Frau Buchheim, und Ihr verstorbener Gatte waren bereit, dort Ihre einzigartige Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dafür danke ich Ihnen. So kann sich jeder an den wunderschönen Werken erfreuen und sich von dieser großen Kunst inspirieren lassen. So gehören Ihre Schätze jetzt gleichsam der Öffentlichkeit. Dies war nur durch die Gründung einer eigenen Stiftung Buchheim möglich. Der Weitsicht des Verstorbenen und der Weitsicht von Ihnen, sehr geehrte Frau Buchheim, als den Stiftern und Stiftungsvorständen ist es zu verdanken, dass die Öffentlichkeit diese Schätze nicht nur jetzt, sondern auch künftig sehen und bewundern kann.

Es gibt wohl kaum ein Museum in Bayern, das auf so augenfällige Weise den Willen seines Sammlers, seine Intention, sein Lebenswerk transportiert. Dieses Museum sollte nach Wunsch von Lothar-Günther Buchheim ein Ort der Imagination sein, ein Ort, der Kunst atmet und Besucher verführt, Kunst neu zu sehen und neu zu verstehen. Dieser Traum des Verstorbenen ist mit dem Museum der Fantasie in Erfüllung gegangen.

Wir alle können nicht nur in der Sammlung und in der Architektur des Museums den Geist Buchheims spüren. Er weht auch aus der Lage des Museums unmittelbar am Starnberger See. Es ist die unendliche Tiefe und Weite des Wassers, es ist die See, die Lothar-Günther Buchheim immer fasziniert hat. Als Marinesoldat hatte er engste Beziehungen zu diesem Element. Er liebte das Meer. La Paloma war seine Lieblingsmelodie. Das Lied, das seine sentimentale empfindsame Seite enthüllt, erklang zu seinem Geburtstag. Es wird auch heute als letzter Gruß gespielt. Tief geprägt von eigenen Erfahrungen auf hoher See ist auch sein grandioses Werk "Das Boot". Auf unnachahmliche Weise ist ihm dabei die Darstellung des U-Boot-Krieges mit allen seinen Schrecken gelungen. Gerade das war immer typisch für den Verstorbenen: Hinter allem, was er tat, stand er mit vollster Überzeugung, mit seiner ganzen Persönlichkeit, mit seiner ganzen Kraft des künstlerischen Schaffens.

Die Themen seiner Kunst spiegeln immer zugleich auch den Menschen Buchheim. Sie zeigen uns Lothar-Günther Buchheim als einen "Augenmenschen" von höchster Brillanz. Sehen war seine Art, die Welt stets aufs Neue zu erfahren und malend, gestaltend zu begreifen. In der Musik gibt es das absolute Gehör, vielleicht gibt es in der bildenden Kunst so etwas wie ein "absolutes Auge". Wenn, dann hatte Lothar-Günther Buchheim ein solches absolutes Auge. Er klammerte sich nicht an Ordnungen und Klassifizierungen, er beschränkte oder spezialisierte sich nicht auf einige wenige Gebiete. Lothar-Günther Buchheim präsentierte die Fülle des Lebens und war immer bereit, über die Formenvielfalt der Natur und die unendliche Erfindungsgabe des Menschen zu staunen. Gemälde und Grafiken, Volkskunst und sogenannte hohe Kunst - in seiner Sammlung findet sich alles, hier gehört alles Zusammen. Das scheinbar Unverbundene, ja sogar Gegensätzliche, ist Programm und macht den eigenen, genialen Reiz des Werkes des Verstorbenen aus.

Seine Leidenschaft und Energie drängte immer hin zu Neuem. Pointierter gesagt: Lothar-Günther Buchheim war in vieler Hinsicht in Deutschland der Erste: Das gilt für seine Galeristentätigkeit. Er war der Erste, der nach dem Krieg Picasso in Deutschland gezeigt hat. Das gilt für seine kunsthistorischen Arbeiten, die den Expressionismus erstmals wissenschaftlich erschlossen - und noch dazu in einer Sprache, die ohne gedrechselten Fachjargon unmittelbar anschaulich war. Das gilt genauso für seine großen Ausstellungen in den Kunstmetropolen der Welt. Er hat im Ausland das Bild von der Kulturnation Deutschland nach dem Krieg entscheidend und positiv beeinflusst.

Dieses Lebenswerk Buchheims ist einzigartig. Es ist nicht zu kopieren. Aber die dahinterstehende Bereitschaft zu einem rastlosen, sich und die anderen niemals schonenden Ringen um neue Wege, hat Vorbildcharakter. Das großartige Lebenswerk dieses Künstlers und Kunstsammlers, dieses Malers und Zeichners, dieses Schriftstellers und Publizisten wird immer leuchtendes Beispiel bleiben.

Diese Leistungen und Verdienste wurden mit zahlreichen Orden und Ehrenzeichen gewürdigt. Lothar-Günther Buchheim war Träger des Bayerischen Verdienstordens und des Großen Verdienstkreuzes mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Sehr gerne habe ich ihm vor knapp 10 Jahren auch den Maximilians-Orden verliehen. Dies ist die höchste Auszeichnung des Freistaates Bayern für außergewöhnliche Leistungen in Wissenschaft und Kunst. Lothar Buchheim war wahrlich ein würdiger Träger dieses Ordens.

Schließen möchte ich mit einer Begebenheit, die das Verhältnis von Lothar-Günther Buchheim zum Tod und Sterben treffend beschreibt. Während der Vorbereitung für das Museum und konkret die Stiftung hatte Herr Buchheim mit einem engen Vertrauten immer wieder auch sehr persönliche Themen erörtert. Diese Gespräche sollen auch zur der Frage geführt haben: Was ist ein passender Totenspruch. Der erste Vorschlag war "Toi-toi-toi für drüben.2 Herr Buchheim fand das zunächst gut mit der für ihn typischen Bemerkung: "Das ist knapp und weit ab von dem, was man sonst aus dem Schmalztopf kratzt." Dann aber fügte er hinzu: "Doch nicht gut!" "Immer noch ein Schlag zu nahe an all dem optimistischen Gequatsche."Der zweite Vorschlag für den Totenspruch war die mehr als 2000 Jahre alte Sentenz: "Möge Dir die Erde leicht sein - sít tibi térra levís." Dazu meinte der Verstorbene: "Das ist Poesie, unsentimentales Latein - genau in diese Richtung müsste man zielen."Mein Wunsch für den Verstorbenen also lautet: "Möge ihm die Erde, alle Erdenschwere, leicht sein." 

Wir alle werden Lothar-Günther Buchheim in würdiger Erinnerung behalten. Mit ihm ist ein streitbarer Mann der Fantasie und der Kunst von uns gegangen. Wir verbeugen uns in Trauer und mit tiefem Respekt vor einem großem Künstler und seinem Lebenswerk."


Pressemeldung der Bayerischen Staatskanzlei vom 27.02.2007

Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber hat heute Diethild Buchheim zum Tode Ihres Mannes Lothar-Günther Buchheim kondoliert. Lothar-Günther Buchheim ist gestern im Alter von 89 Jahren an Herzversagen gestorben. Stoiber: "Die Nachricht vom Tode Ihres Mannes, so kurz nach seinem Geburtstag, erschüttert mich. Auch im Namen meiner Frau spreche ich Ihnen mein herzliches Beileid aus. Der Künstler, Schriftsteller und Sammler Buchheim hat sich sein ganzes Leben mit seiner ungeheuren Kreativität und Vielseitigkeit leidenschaftlich für die Kunst eingesetzt. Die Kunstwelt in Bayern verdankt ihm mit dem Museum der Phantasie einen einzigartigen Ort, an dem Kunst und Kultur in Bayern leben."

Lothar-Günther Buchheim war nach den Worten Stoibers ein Mann der Leidenschaften und der Phantasie. Als Schriftsteller und Publizist, als Maler und Zeichner, als Sammler und als Museumsbegründer habe er mit unermüdlicher Kraft seine oft Staunen erregenden Pläne verfolgt und verwirklicht. Als er mit seinem Roman über den Kampf der U-Boote den Buchmarkt eroberte, habe er für eine literarische Sensation gesorgt.

Früh schon erkannte Lothar-Günther Buchheim die Bedeutung der expressionistischen Maler. Stoiber: "Mit all seiner Energie kämpfte er für diese Bilder, die ihn zutiefst berührten - und mit der gleichen Energie focht er für den Aufbau des Museums, das seinesgleichen sucht.

Wenn wir jetzt Abschied nehmen von Lothar-Günther Buchheim, dann tun wir das in tiefem Respekt vor seinem Werk - und dieses Werk wird bleiben." Lothar-Günther Buchheim hatte seine einzigartige Sammlung, die zu den weltweit größten Privatsammlungen zum Expressionismus gehört, in sein Buchheim-Museum der Phantasie in Bernried eingebracht.

Die Beerdigung findet im engsten Kreise statt.

Rainer Haselbeck
Pressesprecher der Bayerischen Staatskanzlei


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Lothar-Günther Buchheim (1918-2007).

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