Buchheims Fotos in Bernried

Hautnahe Seitenblicke

Münchner Merkur vom 25.04.2008

Von Freia Oliv

"Was das Auge sieht, ist geheimnisvoll und wunderbar genug, um einen das Leben lang zu beschäftigen." 80.000 Fotografien hat Lothar-Günther Buchheim ganz im Sinne seiner eigenen Maxime angesammelt. Er konnte sich nicht satt sehen an Blättern und Wäldern, Wiesen, Seen, Stillleben. Was er daraus mit seiner Kamera machte, zeugt von Schönheit und Verfall zugleich und vor allem vom Arrangement des Zufälligen.

Solchen Aufnahmen der 70er- und 80er-Jahre ist die Ausstellung im Bernrieder Buchheim-Museum gewidmet. Dieser neue Blickwinkel fernab der bekannten Kriegs- und Nachkriegsbilder wird um einen zweiten ergänzt: Der "Staatszirkus" um den Queen-Besuch 1978 zeigt den Berichterstatter, der sich jenseits der Journalisten sein eigenes Bild sozialer Spektakel macht. Ergänzung am Rande 1989: Karl Lagerfeld hautnah.

Schillernde Großformate rahmen den Saal, geben intime Einblicke und erhabene Ausblicke: Nichts ist ihm zu banal. Immer wieder fängt er verschiedene Lichtreflexe auf dem Sammelsurium seines Schreibtisches ein, zufällige Stillleben also. Unwiederbringliche Augenblicke schimmern in Glasvasen oder in Gartenkugeln draußen, zwischen Figuren und Grün. Einsame Wege im Laub, das bestechende Blau von Tümpeln inmitten staubiger Grashalme eröffnen Perspektiven in Nah- und Fernsicht.

Wie einen Impressionisten faszinieren Buchheim Tageszeiten, wie ein Expressionist verwandelt er Alltägliches zu Ausdrucksstarkem. Blätter und Baumstümpfe verdichten sich zum morbiden Farbenspiel. Vor dunklem Grund verwandelt sich ein Blatt in die Verkörperung von sonnenüberflutetem Grün. Und ein verschimmelter Granatapfel präsentiert sich glasklar und leuchtend auf Plastik als Kunst-Stück. Schärfe im Blick, teils bewusste Unschärfe im Bild charakterisieren diese Aufnahmen. Buchheim hat nie Blitzlicht benutzt, um Nebensächliches bildwürdig zu machen. Wohl aber hat er sich für seine Reportagen mancher ungewöhnlicher Tricks bedient, um an Bilder zu kommen, die das Staatszeremoniell etwas näher beleuchten. Den englischen Adelsbesuch 1978 in Deutschland dokumentierte er für die Illustrierte "Quick", er machte aus seinen Erfahrungen auch ein leichtherziges Buch.

Buchheim wollte nicht "mit hängender Zunge von einem Pool zu anderen" hetzen, sondern trickste Absperrungen und Zeitvorgaben aus. Ergebnis ist ein Seitenblick auf Rituale, die auch mal wortwörtlich die Kehrseiten von Reiterdarbietungen, Polizeiaufgebot und Medienrummel zeigen. Die Queen, mehr oder weniger "amused" ob eines Riesenpensums an offiziellen Anlässen, streift er im Vorübergehen. Die nötige Distanz dazu verschafft die Schwarz-Weiß-Fotografie. Und so sind auch die Texte: lockerleichter Journalismus mit Hintergedanken.


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