BELLE ÉPOQUE

Toulouse-Lautrec, Chéret, Steinlen und weitere Meister französischer Plakatkunst.

Ausstellung im Buchheim Museum
21. Oktober 2007 bis 13. April 2008

Nach der Retrospektive "Eines Lebens Lauf - Lothar-Günther Buchheim", die dem Maler Buchheim gewidmet war, rückt mit der Ausstellung "Belle Époque, Toulouse-Lautrec, Chéret, Steinlen und weitere Meister der Plakatkunst" nun wieder der Sammler in den Blickpunkt.

Buchheim hat über Jahrzehnte Plakate aus verschiedenen Epochen und Ländern zusammengetragen. Eine Auswahl der Plakate aus der Zeit der Jahrhundertwende vorwiegend aus Frankreich ist nun erstmals im Buchheim Museum zu sehen.

Wer die Publikationen des 1951 gegründeten Buchheim Verlages kennt und weiß, dass Buchheim über das, was er sammelte, in der Regel Bücher auch schrieb und verlegte, mag schon vermutet haben, dass irgendwann ein Konvolut von Plakaten ans Tageslicht befördert werden würde. Doch die Plakate, die nun im Buchheim Museum zu sehen sind, erstaunen, denn auch als Plakatsammler beweist Buchheim einmal mehr eine ganz eigene Qualität. Dazu gehörte er, der nach 1945 alle paar Wochen nach Paris reiste und dort die Museen, Galerien und Kunsthandlungen ebenso genüsslich durchstreifte wie den "Marché aux Puces", zu den wenigen, die in den 1950er Jahren Graphik und Kunsthandwerk der Art Nouveau und des Jugendstils zu schätzen wussten.

Den Nukleus der Plakatsammlung bilden Blätter jener Künstler, die Plakatgeschichte geschrieben haben. Da sind die Affichen von Jules Chéret, der als Inaugurator der Plakatkunst gilt. Er war der erste, der den besonderen Reiz des farbigen Steindrucks erkannte und seine Darstellungen deshalb selbst auf den Stein zeichnete. Damit war die Farblithographie in den Rang eines künstlerischen Mediums erhoben, und nicht mehr bloßes Mittel industrieller Bildreproduktion. Schmissig hingeschriebene Plakate wie die legendäre Affiche, die Chéret für den im selben Jahr 1889 eröffneten Tanzpalast "Moulin Rouge" schuf, das eindrucksvolle, von Chéret eingeführte schlanke Hochformat, das für Émile Zolas Roman "La Terre" (1887) aus der Romanfolge "Die Rougon-Maquart" wirbt oder der Anschlag für das Petroleum "Saxoléine" vergegenwärtigen Chérets Bedeutung als Plakatentwerfer und die Vielfalt seiner Themen. Doch schon mit Théophile Alexandre Steinlen, dessen gesellschaftskritisches Engagement auch viele seiner Künstlerkollegen beeindruckte, erfuhr das Plakat eine andere Dimension. Steinlen erzählt Geschichten: Da sind die von ihm immer wieder gezeichneten Katzen, die flehentlich bettelnd ein Mädchen beäugen und hoffen, dass für sie ein Tropfen der "Lait Stérilisé de la Vingeanne" abfällt, dort die  dramatischen Ereignisse des Romans "Mädchenhandel", die Steinlen in einem Bühnengeschehen bündelt. Pierre Bonnard hingegen setzt der intensiven Farbigkeit und der prallen Sinnlichkeit der Plakate, die Hans Sedlmayr "schreiende Bilder" nannte, ein warmes Grau und den zurückhaltenden Charme der schönen Misia gegenüber. Geistreich verweist er auf die Programmatik der Zeitschrift "La Revue Blanche", die sich als Sammelbecken der Avantgarde aus Literatur, bildender Kunst und Musik verstand. Toulouse-Lautrec rückt den Menschen in den Vordergrund: Im Mittelpunkt des 1892/93 entworfenen und durch viele Vorzeichnungen gründlich vorbereiteten Plakats für das kleine Café-Concert "Divan Japonais" steht die grazile Gestalt der Tänzerin Jane Avril, die bei ihren Bühnenauftritten in wilde Tänze ausbrechen konnte. Offenbar angeregt von ihrer Profilansicht und gebieterischen Haltung ist die blau gewandete junge Dame auf Emmanuel Orazis Plakat, das dieser anlässlich der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 für die Galerie "La Maison moderne" entwarf, die der deutsche Kunstkritiker und Schriftsteller Julius Meier-Graefe 1899 in Paris gegründet hatte. Doch sind hier Mensch, Gegenstand und Schrift gleichermaßen der Schönlinigkeit des Jugendstils unterworfen. Radikal verknappte Formen und ein prägnantes Motiv, das er vorwiegend auf schwarze Gründe setzt, charakterisieren Leonetto Cappiellos Plakat "Chocolat Klaus" (1903), das wiederum einen wichtigen Schritt in die Richtung des modernen Werbeplakats markiert.

Nicht weniger spannend ist die Melange jener Plakate der Sammlung Buchheim, die von Künstlern geschaffen wurden, die heute weniger oder gar nicht mehr bekannt sind. Da sind die "Russen", der Historienmaler Nikolaj Karasin und Caran d'Ache, der sich durch seine Karikaturen vor allem zur "Dreyfus-Affaire" einen Namen machte. Da sind Plakatmacher wie SEM (Serge Goursat), der zum Kreis des skandalumwitterten Schriftstellers Jean Lorrain gehörte. Dort Jossot, der zum Islam konvertierte. Da Jules Alexandre Grün mit seinen Lebensfreude versprühenden Werbeplakaten für die Folies Bergère und ähnliche  Etablissements. Oder der völlig vergessene Eugène Ogé, der beste Produktwerbung betrieb: Nicht mit dem "ewig Weiblichen" suchte er die Betrachter zum Kauf von Waren zu verlocken, sondern durch Witz und Esprit.

Zu der Vielfalt der Plakate aus Frankreich kommen Arbeiten von belgischen Künstlern wie dem bekannten Dekorationsmaler T. Privat-Livemont und von den Deutschen, dem "Simplicissimus"-Zeichner Thomas Theodor Heine sowie von dem Baden-Badener Werbegraphiker und Marionettenmacher Ivo Puhonny, auch Blätter spanischer, schwedischer, skandinavischer und Schweizer Künstler, die zum Teil auch konservative Positionen vertreten, während gleichzeitig Jugendstil und Art Nouveau aufblühten.

Diese Vielfalt der Plakate der Jahrhundertwende wird durch einen Werkkomplex ergänzt, der einmal mehr die vielschichtigen, teils gegenläufigen Tendenzen der Kunst der 1890er Jahre dokumentiert: Im Frühjahr 1895 wurde von Meier-Graefe und dem Dichter Otto Julius Bierbaum in Berlin die exklusive Zeitschrift "Pan" initiiert, die internationalen zeitgenössischen Tendenzen in Kunst, Literatur und Musik ein Podium bieten wollte. Den exklusiv gestalteten Bänden wurden Originalgraphiken beigelegt. Eine Auswahl dieser erlesenen Druckgraphiken aus der Sammlung Buchheim ist nun im Rahmen der Ausstellung zu sehen.

Das berühmteste Blatt aus "Pan" ist die in acht Farben gedruckte Lithographie "Mademoiselle Marcelle Lender, an buste" (1895) von Henri de Toulouse-Lautrec, ein wundervolles Blatt, an dem sich jedoch die Geister schieden. Es kam zum Skandal: Meier-Graefe und Bierbaum mussten den Hut nehmen. Mit Peter Halm, dem Schweden Anders Zorn, dem Radierer und Glaskünstler Karl Köpping, Auguste Rodin und anderen wird die hohe Kunst der "Malerradierer" vergegenwärtigt, die seinerzeit in konservativen Kreisen besonders geschätzt wurden. Dazu kommt eine Gruppe von Lithographien mit Werken von Maurice Denis, Henry van de Velde, Walter Leistikow und Ludwig von Hofmann sowie Farbholzschnitte beispielsweise von Otto Eckmann und Peter Behrens.

Zur Ausstellung erscheint eine Begleitbroschüre mit Texten von Lothar-Günther Buchheim und zahlreichen Farbabbildungen zum Preis von EUR 9,90.

Weitere Informationen

Museumsladen

Die Broschüre zur Ausstellung "Belle Époque" mit Texten von Lothar-Günther Buchheim und zahlreichen Abbildungen in Farbe kostet im Museumsladen EUR 9,90. Zudem können Sie auch zwei Plakate zur Ausstellung erwerben.

Pressemeldung

Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Günther Beckstein anlässlich der Eröffnung der Ausstellung


Meldungen


Henri de Toulouse-Lautrec, Divan Japonais, Farblithographie, 1892/93


Emmanuel-Joseph-Raphael Orazi, La Maison moderne, Farblithographie, 1900



Théophile Alexandre Steinlen, Lait pur Stérilisé de la Vingeanne, Farblithographie, 1894


Jules Chéret, La Terre par Émile Zola. Édition illustrée, Farblithographie, 1889

Abbildungen © Buchheim Museum

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