Der liebende Donnerer

Münchner Merkur vom 05.02.2003

Was geblieben ist? Die Freude. Auch wenn Lothar-Günther Buchheim immer etwas zum Granteln findet. Aber Buchheim wäre nicht Buchheim, wenn er nicht schimpfen würde - gerade über sein Lieblingskind: das "Museum der Phantasie" in Bernried. Selbst wenn der Sammler, Maler, Verleger, Schriftsteller und wortgewaltige Donnerer ständig dort etwas zum Kritteln aufspürt, das Buchheim Museum - und alle nennen es so - ist Höhepunkt und Vollendung seines Lebens. Lothar-Günther Buchheim, der morgen seinen 85. Geburtstag begeht und mit Freunden, darunter Ministerpräsident Edmund Stoiber, feiert, hat sich seit früher Jugend der Kunst mit der unbedingten Hingabe eines großen Liebenden gewidmet.

Er war kein reicher Mann, der sich zum niveauvollen Zeitvertreib oder aus Vergnügen am Bohème-Schnuppern eine Collection zulegte. Für Buchheim waren die Expressionisten, die "Entarteten" um die sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg niemand riss, schlicht Lebens-Mittel. Grundlage seiner Existenz, seiner Seele, seines Gemüts. Darum ist dieser Liebhaber auch oft so unleidig, ihm ist unbegreiflich, dass andere nicht so empfinden, nicht so passioniert agieren wie er.

Seine Leidenschaft kennt keine Kompromisse. Das macht ihn für seine Umwelt ziemlich schwierig, hat dieser aber nicht nur die phänomenale Expressionisten-Sammlung - da geht einem das Herz auf - beschert, sondern noch einen ganzen Strauß von Sammlungen: afrikanische Kunst zwischen zartem Metall und mächtiger Maske, feingliedrige Theaterpuppen aus Indonesien. Glasträume als Briefbeschwerer, humoristische Dickbauch-Plastiken und skurrile Skulpturen aus Abfällen, Hinterglasbilder, Kitsch aus China.

Auch hier der unbedingt Liebende. Ihn scheren keine Konventionen, kein so genannter guter Geschmack, keine Das-ist-doch-nichts-wert-Haltung. Gerade in diesen charmanten Sächelchen, zeigt sich, wie autark Lothar-Günther Buchheim in seinem Urteil ist. Er hat sich immer nur auf sich verlassen - und uns damit ein großes Geschenk gemacht. Das beweist der Zuspruch, den sein Museum am Starnberger See erfährt. Dabei war Buchheim von vornherein klar, dass seine Schätze mit Landschaft und See zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen sollten: "Das wird ein Museum sein, das kein Vorbild in der Welt hat ... Ich habe mich am meisten um die Natur gekümmert." Dieses Gefühl für Wasser und Pflanzen, Landschaftsformationen und Jahres- /Tageszeiten- stimmungen hat Buchheim, der in Weimar geboren wurde und in Dresden sowie München an der Akademie studierte, nicht nur als Maler umgesetzt, sondern auch als Autor. Schon als junger Mann beschrieb er 1939 eine Paddelbootfahrt auf der Donau ("Tage und Nächte steigen aus dem Strom"). Während des Kriegs war er Berichterstatter. Gemälde, zum Teil umstrittene Zeichnungen (Vorwurf der Kriegsverherrlichung bei der Chemnitzer Ausstellung 2001) zeugen davon, aber auch der legendäre und verfilmte Roman "Das Boot" (1973): gefolgt von "Die Festung", 1995 und "Der Abschied" 2000).

Mindestens so leidenschaftlich schrieb Buchheim über Max Beckmann oder den Blauen Reiter, über Picasso oder die Expressionisten - und verlegte sich selbst. Leidenschaftlich dann auch seine Suche nach einem Museumsstandort. Seit Mitte der 80er-Jahre rumpelte und rumorte das Projekt durch deutsche Lande. Sollte es Duisburg sein? Die Praterinsel in München? Feldafing, Buchheims Wohnort und Heimat? Doch Chemnitz? Da die Bayern selbst gern cholerisch sind, deswegen mit Polterern und Sturschädeln ganz gut umgehen können, steckten sie - vom Bürgermeister bis zum Ministerpräsidenten - alle Buchheim klassischen Zornesausbrüche und Beschimpfungen weg. Sie ließen gleichfalls den Widerstand der Feldafinger Mehrheit gegen das "Museum der Phantasie" verpuffen - und bauten es einfach ein paar Kilometer weiter in Bernried. Am 24. Mai 2001 wurde das Haus eröffnet. Hunderttausende von Besuchern ließen sich seitdem begeistern. Nach so viel Streit ist uns also die Freude geblieben. Neben dem Jubilar müssen wir dafür noch jemandem danken. Ohne seine Frau Diethild, die vieles mit besänftigender Hand und gelassenem Gemüt regelt, gäbe es diesen Buchheim nicht - und nicht dieses Museum.


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