Kriegsreporter und Zeuge

Museum der Fantasie zeigt "Das Boot. Die Fotografien"

Münchner Merkur vom 06.07.2010

Von Freia Oliv

Das Thema ist heikel - und längst überfällig. „Lothar-Günther Buchheim: Das Boot. Die Fotografien“ klingt als Titel der neuen Bernrieder Ausstellung zwar harmlos, aber dahinter verbirgt sich eine endlose Diskussion um politische Positionen während des Zweiten Weltkriegs, um Gut und Böse, um Anklagen und Glorifizierung. Und eines ist auch klar: Mit der Auswahl von 250 aus 5000 zumeist unbekannten Aufnahmen wird man Freunde wie Feinde Buchheims, Altvordere, Militaristen ebenso wie Pazifisten auf den Plan rufen. Sie alle werden weiter diskutieren: Denn die Kuratorin Clelia Segieth urteilt nicht, bezieht genauso wenig wie Buchheim selbst klare Position. Sondern es wird mit einem sehr subjektiven Blick durch die Kamera des Kriegsreporters eine letztlich typische, indifferente Haltung während des „Dritten Reiches“ veranschaulicht. Der Großteil der Bevölkerung befand sich zwischen den Fronten - es ging ums eigene Überleben. Über Buchheims Berichte aus dieser Grauzone muss sich nun jeder selbst Gedanken machen.

Auf den ersten Eindruck vermittelt die Schau imposante Schwere, Enge, Wucht. Insofern entspricht sie dem Einschnitt, den der Kriegsdienst bei Buchheim hinterlassen hat: Nach mehreren Gestellungsbefehlen, die er ignorierte, meldete er sich freiwillig, um sich so seine Aufgabe bei der Marine aussuchen zu können. „Als Kriegsberichter war ich, 23 Jahre alt, Maler und Zeichner, nicht Bildberichter mit der Kamera. Fotografiert habe ich für mich: Angetrieben von der Überzeugung, dass sich die Wirklichkeit des Krieges nicht in den üblichen Reportagen der Kriegsberichter niederschlug, machte ich mehr als 5000 Aufnahmen.“ Buchheim will gegen die Vergänglichkeit anfotografieren, versteht sich als Zeuge. „U-Boot-Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg: Sie können für Klaustrophobie, Beklemmung und das geduckte Leben dieser Epoche stehen.“

Nachempfinden kann man das zuerst bei einem begehbaren Nachbau des Bugraums, der zugleich als Mannschaftslager und Torpedodepot gedient hat. Daneben unscharfe Momentaufnahmen, die wie ein Film ablaufen: Wasserbombenangriff im Herbst 1941, ein stets souveräner Kapitän, hektisches Treiben. Wieder daneben die Bilder der Besatzung der U96: Aus der Enge der Stahlröhren, wo alle wochenlang zwischen Instrumenten und Maschinen wie Roboter hausten, tauchen die Männer mit einem persönlichen Profil auf. Es gibt Bilder zerstörter Städte, von flüchtigen Begegnungen mit anderen U-Booten, von Flottenstützpunkten, Bilder von einem Desaster zwischen Minenfeld und Fliegerangriff. Buchheim schreibt später, 1998: „Der Seekrieg ist die grauenhafteste Form des Krieges“, weil sie der Kampf zwischen zwei Parteien und der See ist und weil sie keine Spuren hinterlässt. Genau deshalb hat Buchheim wohl auch zur Kamera gegriffen. Allerdings entstanden dabei auch Dokumente wie das absolut umstrittene Werk „Jäger im Weltmeer“, das unter dem Schutz des NS-Schergen Karl Dönitz auf Betreiben von Peter Suhrkamp erschien.

Zahlreiche Texte von Buchheim untermauern die subjektive Position der Schau, die dadurch wieder relativiert wird. Zahlreiche Fotos lassen wiederum aufatmen: „Für mich ist es eine Erlösung, auf der Brücke zu stehen. Ich nütze die Gelegenheit aufzuentern, sooft sie sich bietet.“ Daraus werden Ausblicke von der Kommandobrücke, die die Urgewalt des Wassers, das Licht des Horizonts, die Gischt, aber auch die stete Gefahr und Wachsamkeit der Mannschaft dokumentieren. Weit weg davon scheinen die Kriegsbilder, die Buchheim in den freien Minuten an Land gemacht hat und die den Künstler und begnadeten Fotografen in Sachen Stimmung und grafischen Bildaufbau vollends spürbar werden lassen. Neben Landschaften und Höfen sind es Volksleben, bretonische Trachtenträgerinnen und Fischer, die aber in kritischen Gesichtern widerspiegeln, wem sie gegenüberstanden: einem deutschen Soldaten, der sich zwischen Kunst und Krieg mit aller Kraft und Gewalt durchgesetzt hat.

Bis 10. Oktober, Katalog: 8,90 Euro. Telefon 08158/ 99 700.

Dieser Artikel ist auch in der TZ am Dienstag, 06.07.2010, erschienen.


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